Weihnachten im Zwergenreich

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Eine Weihnachtsgeschichte von Viola Rosa Semper

Der Winter ist eine magische Zeit. Wenn sich die Nacht immer weiter ausdehnt, der Nebel den Garten in Magie hüllt und vielleicht sogar der Schnee die Welt verzaubert, habe ich große Lust auf Geschichten. Mein Name ist Kukudu, und ich liebe es, zu malen, zu singen, zu tanzen, zu musizieren und mir Geschichten auszudenken. Diese Geschichte habe ich mir aber nicht ausgedacht. Sie steht in einem alten Buch voller fantastischer Geschichten und ich möchte sie dir vorlesen.

Tief unter den höchsten Bergen lebten einst die Zwerge. Ihr Reich gehörte zur magischen Welt und ihre Traditionen waren den Menschen fremd. In diesem Land herrschten die Zwillinge Zwergenkönig Dumpatz und Zwergenkönigin Schlingeline. Sie waren zu ihrem sechsten Geburtstag gekrönt worden und bereiteten nun ihr erstes Weihnachtsfest als König und Königin vor. Die Zwerge kannten wohl das Christkind, aber sie feierten gar anders als die Menschen. Die Höhlen waren kalt und dunkel und der Wind pfiff durch alle Räume, sodass die Zwerge immerzu froren. Weihnachten wurde still und leise gefeiert, denn fürs Lachen hatten die Zwerge im Winter wahrlich keinen Grund. Die Zwillinge Dumpatz und Schlingeline aber wollten das ändern! Weihnachten musste ein Fest voller Leben werden, etwas, das Kraft und Freude und Wärme spendete an den dunklen Tagen.

Was hieß das aber, ein Fest voller Leben? Zwergenkönigin Schlingeline beschloss, aus den dunkeln Zwergenhöhlen in die Welt hinaus loszuziehen, um es herauszufinden.

 

Am zweiten Adventssonntag schlich sich Zwergenkönigin Schlingeline aus dem Zwergenreich. Sie wollte ihren Bruder überraschen, indem sie ein bisschen Freude für die Weihnachtszeit sammeln ging. Dichter Schneefall erschwerte ihr die Sicht, aber sie wusste, wohin sie wollte. Schlingeline wickelte ihren dicken Mantel fest um sich und kämpfte sich den Berg hinauf. Sie wusste, auf der anderen Seite wohnten die Riesen und wenn die Riesen sangen, bebte die Erde. Nichts strotze so voller Kraft und Freude wie der Gesang der Riesen.

Es dauerte den ganzen Tag, den Berg hinaufzusteigen und Schlingeline war nass bis auf die Knochen, durchgefroren mit roten Zehen und blauen Lippen, als sie endlich das Riesenreich erreichte. Sie war so winzig im Vergleich zu den Giganten, dass sie einfach durch den Türschlitz der Riesenbibliothek spazieren konnte. Dort war es herrlich warm!

Schlingeline kletterte ein Tischbein empor und stolperte auf die Seiten eines Riesenbuches, das auf dem Riesentisch lag.

„Na nu“, sagte der Riese, der gerade das Riesenbuch gelesen hatte. „Was bist denn du?“

Schlingeline hob ihre Stimme und sagte tapfer: „Ich bin Zwergenkönigin Schlingeline und ich bin gekommen, um mehr über euer Weihnachtsfest zu lernen.“

Der Riese lächelte. „Oh ja, unser Weihnachtsfest ist überall bekannt, weil wir die schönsten Lieder singen.“

„Aber wie singt man denn Lieder?“, fragte Zwergenkönigin Schlingeline, denn im Zwergenreich gab es keine Musik.

Da rief der Riese seine Freundinnen und Freunde herbei und sie sangen Weihnachtslieder für Schlingeline. Es war so laut, dass sie sich hinter dem dicken Buch verstecken musste, aber die Musik brachte etwas in ihr zum Schwingen. Sie war so wunderbar zauberhaft. Als die Riesen endeten, applaudierte Schlingeline begeistert.

„Möchtest du unsere Weihnachtslieder mit nach Hause nehmen?“, fragte der Riese, der sich immer freute, Musik mit anderen zu teilen.

„Ja, bitte!“

Die Riesen waren alle ganz verzückt von der jungen Zwergenkönigin. Sie verzauberten ihre Noten und Liedtexte, sodass sie gerade klein genug für Zwerge waren. Der Riese, der Schlingeline gefunden hatte, hob sie auf seine Hand und trug sie über den Berg nach Hause.

Ach wie staunte Zwergenkönig Dumpatz und das Zwergenreich, als sie die Zwergenkönigin zu Hause begrüßten. Schlingeline verabschiedete ihren Freund, den Riesen, und ließ das ganze Zwergenvolk in den Thronsaal kommen.

„Wir wollen zusammen singen, um das Weihnachtsfest mit Musik zu füllen!“, verkündete die Zwergenkönigin und ihr Bruder pflichtete ihr sofort bei.

Sie sangen in die ganze Nacht hinein, lachten, weil die Zwergenoma keinen Ton treffen konnte und der Zwergenopa ständig den Text vergaß. Mit der Musik kam die Freude auf das Weihnachtsfest.

 

Zusammen zu singen, war herrlich und sowohl Dumpatz als auch Schlingeline liebten die neue Energie, die sie im Zwergenreich spürten, aber etwas fehlte noch.

„Schwesterherz, Musik ist schön und gut“, sagte Zwergenkönig Dumpatz, „aber ich will, dass unser Fest noch bunter wird! Unsere Säle sind so kahl und braun, ...“

Da beschloss Zwergenkönigin Schlingeline, am dritten Adventssonntag noch einmal loszuziehen. Wenn ihr Bruder Farben wollte, wusste sie, wohin sie gehen musste. Wieder schlich sie los, als das ganze Zwergenreich schlief. Diesmal führte ihr Weg sie an den Fluss. In der Kälte war er zugefroren und sie wusste, dass die Feen es liebten, ihre Spiegelbilder im Eis zu betrachten.

„Falala!“, rief Schlingeline. Ihre Stimme hallte über das Eis und den Fluss entlang. Die Feendame mit dem Name Falala war ihre beste Freundin gewesen, bevor Schlingeline Zwergenkönigin geworden war. Sogleich kam sie über den gefroren Fluss herübergeflattert.

„Ach, meine Freundin, du hast mich schon lange nicht besucht!“, rügte die Fee Schlingeline. „Aber ich will dir verzeihen, denn Weihnachten ist auch das Fest der Vergebung.“

„Danke, Falala“, sagte Schlingeline und verbeugte sich vor ihrer Freundin, wie es unter den Feen üblich war.

„Was bringt dich zu mir an diesem fabelhaft eisigen Wintertag?“

„Feiern Feen Weihnachten?“, fragte Schlingeline. Und sofort begann Falala zu erzählen: Von all den Farben, die sie in die Luft zauberten, mit denen sie den Schnee färbten und die kahlen Bäume bemalten.

„Heißt das, du könntest auch mir und meinem Bruder helfen, unsere dunklen Höhlen zu verzieren?“

„Mit größtem Vergnügen!“

Und so kam es, dass Schlingeline ihre beste Freundin ins Zwergenreich lud. Sie brachte all die bunten Feenfarben mit sich, dazu Pinsel und Farbrollen und Stifte.

Zwergenkönig Dumpatz freute sich, Falala wieder zu sehen, weil sie auch seine Freundin war, und natürlich freute er sich über die Farben, die sie in das Zwergenreich brachten, aber er hatte auch etwas auf dem Herzen. Bevor er seine Schwester darauf ansprechen konnte, hatte diese das ganze Zwergenreich zusammengetrommelt. All die Zwerge und Zwerginnen sollten unter Falala‘ Anweisung die Höhlen bemalen. Der unterirdische Palast, bisher nur grau und braun und kahl, wurde mit kunterbunten Bildern verziert. Am nächsten Morgen war die Verwandlung vollendet. Die Höhlen erstrahlten in einem einzigen unendlichen Farbenmeer. Nichts war übrig vom einst trostlos grauen Zwergenreich. Mit den Bildern kam die Kraft für den langen Winter.

Als sich Falala verabschiedete und versprach zum Weihnachtsfest wiederzukommen, nahm Zwergenkönig Dumpatz seine Schwester zur Seite.

„Schlotzi“, sagte er.

„Nenn mich nicht Schlotzi!“, beschwerte sie sich sofort.

„Gut, ... Zwergenkönigin Schlingeline, bitte versprich mir, dass du dich nicht noch ein drittes Mal davonschleichst. Ich mache mir jedes Mal furchtbare Sorgen.“

Schlingeline wackelte nur mit ihrem Kopf hin und her, ohne eine Antwort zu geben. Sie hatte noch einen letzten Plan geschmiedet, um das Weihnachtsfest vollkommen zu machen.

 

Schlingeline war gerissen und schlau. Sie wartete einige Tage, bis ihr Bruder beinahe alles von ihren Abenteuern vergessen hatte. Erst am vierten Adventssonntag schlich sie sich erneut in der Nacht fort. Dieses Mal führte ihr Weg in den dunklen Wald. Der Schnee war inzwischen so hoch gefallen, dass sie - als sie aus der Zwergenhöhle kam – erstmal Stufen ins Eis schlagen musste, um auf den Schneeberg zu klettern und über die weiße Welt zu spazieren.

Sie wollte den berühmten Tanz der Kobolde sehen, den sie nur im Winter aufführten. Genau so einen Tanz wollte sie auch mit ihren Zwergenfreundinnen und Zwergenfreunden zu Weihnachten tanzen.

Als sie zwischen den dunklen Fichten und Föhren in den Wald kam, wurde ihr doch ganz anders zu Mute. Sie war die Dunkelheit aus den Höhlen gewöhnt und dieses Mal hatte sie zwei zusätzliche Jacken und dicke Socken angezogen, einen Schal um ihren Hals geschlungen und eine dicke Haube über die Ohren gezogen, um nicht zu frieren. Trotzdem strahlte der Wald eine unheimliche Kälte aus.

In der Ferne vernahm sie Musik und Gelächter und das goldene Licht von Flammen blitzte zwischen den Baumstämmen hervor. Es konnte nicht mehr weit sein bis ins Reich der Kobolde. Schlingeline nahm all ihren Mut zusammen und stapfte mutig voran. Sie wollte ihrem Bruder und ihrem ganzen Volk ein wundervoll zauberhaftes Weihnachten ermöglichen. Sie hatte für Musik gesorgt und für Farben, aber der Tanz fehlte ihr noch.

Als sie auf die Lichtung kam, von wo das Feuer blitzte und die Musik erklang, staunte sie nicht schlecht. Hunderte Kobolde in allen Farben hielten sich an den Händen und tanzten ums Feuer. Sie konnte ihre Augen nicht von dem magischen Tanz abwenden und so bemerkte sie nicht, wie sich zwei Kobolde von hinten an sie heranschlichen.

Schlingeline wollte gerade Applaus klatschen, da wurde sie von haarigen Händen gepackt.

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An diesem Abend kam Schlingeline nicht zurück ins Zwergenreich. Zwergenkönig Dumpatz rutschte das Herz in die Hose. Sie hatte ihm doch versprochen, solche Abenteuer zu unterlassen! Er befragte alle Zwergen und Zwerginnen im Zwergenreich, ob jemand sie gesehen hatte und schließlich erfuhr er von ihrem waghalsen Plan, den Tanz der Kobolde zu erlernen.

Dumpatz, der sein Leben lang Angst vor den Kobolden gehabt hatte, fing an zu zittern. Aber er war der König! Er durfte keine Angst zeigen und außerdem ging es um seine Schwester, die Königin. Wild entschlossen packte er sein Schwert und machte sich auf die Suche.

 

Zwergenkönig Dumpatz folgte den Fußspuren im Schnee, bis er zu der Lichtung kam, auf der die Kobolde getanzt hatten. Das Lagerfeuer war erloschen, stattdessen stand ein großer Suppentopf in der Mitte. Und inmitten des Suppentopfes schwamm seine Schwester. Dumpatz erschrak so gewaltig, dass die umherstehenden Kobolde, die bisher nur auf Schlotzi gesehen hatten, auf Dumpatz aufmerksam wurden, aber der Zwergenkönig bemerkte es gar nicht. Er hatte nur Augen für seine Schwester, die eindeutig in Gefahr war. Die Kobolde wollten Schlotzi kochen. Er war sich sicher. Unter dem Topf brannte zwar kein Feuer, aber was nicht war, konnte noch werden. Er musste sie retten!

Dumpatz zog sein Schwert und mit einem Mal waren all die hunderten Koboldaugen, die in gelb, rot und orangenen Farben leuchteten, auf ihn gerichtet. Er ignorierte sie und lief mit hämmernden Herzen auf seine Schwester zu.

„SCHLOTZI!“, schrie er.

Seine Schwester tauchte sofort aus dem Topf auf und schrie zurück. „Nenn. Mich. Nicht. Schlotzi!“

„Ich rette dich!“

Beim Kochtopf angekommen, bemerkte Dumpatz, dass niemand ihn aufhielt oder gar angriff. Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide, dann begann er rasch, auf den großen Kochtopf hochzuklettern.

„Wovor willst du mich denn retten?“, fragte seine Schwester mit gerunzelter Stirn.

Dumpatz hatte immer gedacht, seine Schwester wäre schlau, aber anscheinend war sie das nicht, denn sonst würde sie keine so dummen Fragen stellen.

„Die Kobolde wollen dich kochen. Du bist in einem Suppentopf gefangen.“

„Ach Papperlapp“, widersprach Zwergenkönigin Schlingeline. „Ich habe die Kobolde gebeten, mir ihren Tanz zu lernen, aber weil ihr Tanz heilig ist, darf man das nur, wenn man ganz sauber ist. Und ich bin wirklich dreckig von meiner Reise durch den Wald. Komm zu mir in die Badewanne und wenn wir sauber sind, können wir zusammen den Tanz lernen.“

Zwergenkönig Dumpatz glaubte seiner Schwester nicht sofort, aber das Wasser war angenehm warm, als er zu ihr hineinkletterte und es schäumte blau und violett. Sie wuschen ihre Kleider und ihre Haare und ihre Körper.

Sauber geschrubbt und in prächtige Koboldmänteln gekleidet, lernten sie den magischen Wintertanz der Kobolde. Beim Tanzen war es ihnen, als würde die Sonne wieder kräftiger scheinen und die kalten Winternächte vertreiben. Der Tanz schenkte ihnen Wärme.

Die Zwillinge bedankten sich überschwänglich bei den Kobolden und luden sie ein, mit ihnen zusammen Weihnachten zu feiern. Dann kehrten sie – beschenkt mit dem Wissen um den Tanz – zurück ins Zwergenreich.

Es waren nur noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest und sie mussten sich beeilen, um allen Zwergen und Zwerginnen den Tanz beizubringen. Außerdem mussten sie das Weihnachtslied der Riesen wiederholen und ein paar der Bilder ausbessern, wo die Farbe an den Höhlenwänden abgeblättert war. Sie übten und malten die ganze Nacht und fielen in den frühen Morgenstunden in einen tiefen Schlaf.

Zum Glück hatten der Zwergenopa und die Zwergenoma aufgepasst und weckten das königliche Paar rechtzeitig, bevor die Gäste zum Weihnachtsfest eintrafen.

Gemeinsam mit all den neuen und alten Freundinnen und Freunden feierte das Zwergenreich ein Weihnachtsfest wie nie zuvor. Vor den Höhlen sangen die Riesen ihr Lied, die Feen verzauberten die bunt bemalten Wände, sodass sie das ganze Zwergenreich erhellten und die Kobolde tanzten mit den Zwerginnen und Zwergen zusammen ihren Wintertanz. Es war ein bombastisches Weihnachtsfest voller Freude, Kraft und Wärme. Zwergenkönig Dumpatz und Zwergenkönigin Schlingeline waren begeistert und versprachen einander, von nun an immer auf diese Art Weihnachten zu feiern: mit Musik, Malerei und Tanz.

 

Und jetzt, meine lieben Kinder und Familien, bleibt mir nur noch, euch ein schönes Fest und eine schöne Winterzeit zu wünschen. Füllt die dunklen Nächte mit Musik, Malerei und Tanz und erzählt euch einander fantastische Geschichten.

 

Autorin: Viola Rosa Semper studierte Meteorologie an der Universität Wien. Nach dem Studium wandte sie sich vollständig der Literatur und der deutschen Sprache zu. Seit 2017 arbeitet sie als freie Autorin, Texterin, Lektorin und Tutorin für Deutsch als Fremdsprache. Sie leitet unter anderem die Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche in St.Pölten. https://viola.semper.at/

 

 

Quelle: https://www.kukudu.at/weihnachten-im-zwergenreich 


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